OK

Cookies ermöglichen eine bestmögliche Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Mehr Infos


Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
09.02.2012 | Freizeitparks | Kolumnen

Ein Ring, sie zu knechten!


Als Nürburgring-Chef Walter Kafitz am 16. August 2009 bei der Eröffnung des "Ringwerks" um eine wohlwollende Berichterstattung bat, da der Indoor-Park an Deutschlands bekanntester Rennstrecke noch nicht komplett fertig sei, hatte wohl keiner der Anwesenden damit gerechnet, dass hier der Startschuss zu einem der skandalträchtigsten Kapitel der deutschen Freizeitpark-Geschichte abgegeben wurde.

Kafitz selbst bezeichnete das Ringwerk und den Umbau des Nürburgrings als Leuchtturmprojekt für das Land Rheinland-Pfalz, doch inzwischen ist klar, dass dessen Lampen in eine völlig falsche Richtung gezeigt haben und die MS Ringwerk langsam aber sicher gegen die Klippen schippert. 480.000 Besucher wurden in den Planungen prognostiziert – angesichts des völlig überzogenen Eintrittspreises und des Gebotenen eine mehr als wagemutige Vorstellung. Überhaupt muss man sich fragen, was die Verantwortlichen seinerzeit geritten hat, ein derart halbgares Attraktionsprogramm auf die Beine zu stellen. Ein 4D-Kino mit einem Werbefilm über Autorennen und halbnackte Frauen, ein Drehtheater, bei dem nach der Eröffnung ein Stahlträger von der Decke in den Zuschauerraum krachte (wobei es dank mangelnder Gästezahlen keine Verletzten gab) und eine langweilige Themenfahrt gehörten noch zu den Highlights des Parks. Und da wäre natürlich noch der "Ringracer" - ursprünglich als schnellste Achterbahn der Welt geplant, hat sich die Anlage zum Treppenwitz in der Eifel entwickelt. Nach mehreren "Zwischenfällen" im Testbetrieb, bei denen mal Fensterscheiben zu Bruch gingen oder auch Schrauben in die Boxengasse flogen, ist der Coaster zur Zeit höchstens als Testobjekt für Sicherheitsfirmen zu gebrauchen. Eine Freigabe der Bahn ist jedenfalls nicht in Sicht – und selbst wenn der "Ringracer" jemals eröffnet werden sollte, dürfte er kaum die angepeilte Geschwindigkeit erreichen.

All dies wäre nicht mehr als eine Randnotiz, wenn der Steuerzahler nicht die Zeche zahlen müsste. Insgesamt hat der Ausbau des Nürburgring nach offiziellen Angaben 330 Millionen Euro gekostet, die von einer landeseigenen Bank finanziert wurden – laut mehreren Medienberichten könnten es aber auch noch mehr sein. Die Verstrickungen von Ministerpräsident Kurt Beck, Informationen zu geplatzten Privatinvestitionen und politischen Verschleierungstaktiken sind inzwischen sogar in Buchform erhältlich von dem Motorjournalisten Wilhelm Hahne und waren in den vergangenen Monaten immer wieder Thema in der Zeitung.

Was ich allerdings nicht verstehe: Wie konnte man jemals glauben, mit dem Konzept des "Ringwerk", das in vielen Teilen frappierend an das nach nur wenigen Monaten wegen Besuchermangels geschlossenen Space Center in Bremen erinnert, wirklich Gäste in die Eifel zu locken? Die nicht in Betrieb gegangene Achterbahn als Hauptschuldigen auszumachen, erscheint mir nicht geeignet als Erklärung – es ist kaum davon auszugehen, dass der Coaster mit seiner langweiligen Streckenführung nachhaltig für den Erfolg gesorgt hätte. Anstatt in dem Park auf Familien mit Kindern zu setzen und ein Kontrastprogramm zum Thema "Motorsport" am Nürburgring zu etablieren, wurde hier auch auf Auto-Interessierte gesetzt. Die wiederum schauen sich am Ring aber die Rennen an und verschwenden ihre Zeit nicht damit, einen überteuerten Freizeitpark zu besuchen. So blieb der Park selbst bei Großveranstaltungen leer.

Außerdem muss man sich fragen, warum die Landesregierung hier mit einem dreistelligen Millionenbetrag ein Konzept unterstützt hat, dessen Erfolglosigkeit eigentlich jedem, der sich mit der Materie beschäftigt, hätte klar sein müssen, während auf der anderen Seite traditionelle Familienunternehmen in ihren Freizeitparks hart um jeden Besucher und um jeden Euro kämpfen müssen. Aber in einer Welt, in der eine vermeintlich reiche Schnapsbrennerei-Familie einen ganzen Freizeitpark kaufen kann, ohne auch nur ansatzweise die finanziellen Mittel dafür zu haben, wundert es einen dann wiederum auch nicht wirklich …


Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Mike Vester

Mike Vester beschäftigt sich bereits seit seiner Jugend mit dem Thema Freizeitparks / Kirmes und gehört heute zu den wichtigsten Autoren der Parkscout-Fachredaktion. Sein Hang zu Polemik und Übertreibungen ist zwar legendär, aber wer genau hinhört, merkt schnell, daß er mit seinem Motto "zeitlos, stillos, geschmacklos" zwischen den Zeilen immer genau den Punkt trifft. Der frühere Kleinkunst-Texter ist überzeugter Fan von allem, was mit dem Thema "Disney" zu tun hat und läßt dies auf seine liebenswert schrullige Art auch sicherlich öfter in seine Kolumne einfließen. In diesem Sinne also: Immer vester druff...

© parkscout/MV