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30.04.2012 | Kolumnen | Freizeitparks

Wer braucht Star Wars?


Beim Bau des französischen Disneyland-Ablegers in Paris war man sich seinerzeit einig, dass das Konzept des amerikanischen Tomorrowland in Europa nicht wirklich funktionieren würde. Aus der Not heraus entstand seinerzeit ein erfolgversprechendes Konzept, aus dem das Discoveryland hervorging – ein Themenbereich, in dem die Welt von morgen aus der Sicht von gestern gezeigt werden sollte.

Statt dem Zeitgeist unterworfener moderner Architektur wurde eine Welt geschaffen, die in weiten Teilen den beiden europäischen Science-Fiction-Autoren H.G.Wells und Jules Verne gewidmet war. Insbesondere mit dem Verweis auf Verne begegnete man seinerzeit der Angst der Franzosen vor einer schleichenden Amerikanisierung – schließlich wurde der Bau von Mickey's neuer Heimat gerade von den Intellektuellen des Landes mit Argusaugen beobachtet. Die Verbeugung vor der europäischen Kultur zeigte sich nicht nur in der Architektur mit ihren zahlreichen Verweisen auf Jules Verne, sondern auch in einer der größten Attraktionen des Bereichs: "Le Visionarium" war ein 360-Grad-Kino, in dem die Gäste auf eine Reise durch die Zeit gehen und dabei Leonardo da Vinci, Jules Verne oder H.G.Wells treffen konnten. Dank der technisch aufwendigen Projektionen, der Kombination aus Film und Animatronic und einer interessanten Geschichte, die erzählt wurde, gehörte "Le Visionarium" zweifellos zu den interessantesten Attraktionen des gesamten Parks. Dummerweise waren die Verantwortlichen im Park wohl irgendwann der Meinung, dass das historische Edutainment-Spektakel nicht mehr in das Bild des modernen Disneyland passen würde – im Jahre 2004 wurde die Zeitreise für immer geschlossen und 2006 abgelöst von Buzz Lightyear. Die Ikonen der europäischen Entdecker und Literaten wurden also ersetzt durch einen bunten Spielzeugroboter aus Plastik, die früheren Befürchtungen der Parkgegner bewahrheiteten sich letztendlich doch noch. Keine Frage: Die interaktive Themenfahrt zum Pixar-Film "Toy Story" ist durchaus eine nette Attraktion, die allerdings im benachbarten Walt Disney Studios Park weitaus besser aufgehoben gewesen wäre – im Discoveryland wirkt sie einfach nur wie ein Fremdkörper.

Die Zerstörung von Space Mountain

Allerdings war dies nicht der erste Schritt, dem früheren Land der Entdecker seine europäischen Wurzeln zu entreißen. Bereits der Umbau von Space Mountain im Jahre 2005, bei dem fast alle Bezüge auf Jules Vernes Visionen von einer Reise von der Erde zum Mond zugunsten einer vermeintlich internationaleren Weltraumversion entfernt wurden, war der Startschuss zu einer völligen Verwässerung des Ursprungskonzepts. Dass dabei die Qualität im Storytelling der Achterbahn arg gelitten hatte und die Gänsehaut erzeugende Atmosphäre auf der Strecke blieb, nahm man in Paris wohl in Kauf. Discoveryland zeigte immer weniger die Visionen der Vergangenheit über die Welt von morgen, sondern entwickelte sich zu einem Sammelsurium unterschiedlichster Science-Fiction-Konzepte, das im krassen Gegensatz zu den anderen, bis ins letzte Details ausgeklügelten Themenbereichen des Parks steht.

Noch vor kurzem konnten Sie hier lesen, dass "Captain EO" für immer seine Tore geschlossen hat und dass es noch keine Pläne für die Zukunft gibt. Inzwischen scheint festzustehen, dass man im hinteren Teil des Discoveryland nun eine Art "Star Wars Land" plant. Zu diesem Zwecke soll der Simulator "Star Tours" mit einem neuen Film und 3D-Effekten aufgewertet werden, auf dem Platz des ehemaligen 4D-Kinos soll eine "Jedi Academy" als Kinderbespaßung enstehen und das Restaurant "Pizza Planet" könnte ebenfalls in das "Krieg der Sterne"-Universum integriert werden. Ganz abgesehen davon, dass die Frage erlaubt sein muss, was die Kultfilme von George Lucas bitte schön mit Walt Disney und seinen Werken zu tun haben, dürfte dies der endgültige Abschied des Parks von der europäischen Kultur sein – übrigens eine Kultur, auf der fast alle Zeichentrickklassiker von Disney basieren.

Noch mehr Star Wars?

Anstatt die Gelegenheit zu nutzen, und den Parkbereich wieder so zu gestalten, wie er einmal ursprünglich vorgesehen war oder wenigstens Platz für Filme aus dem Disney-Fundus zu schaffen, die sich mit Science Fiction beschäftigen wie "Tron", "Das schwarze Loch", "Lilo & Stitch" oder auch "Der Schatzplanet", wird hier versucht, mit einem in die Jahre gekommenen Franchise Besucher zu generieren. Ich wage schon jetzt zu prophezeien, dass der Schuss nach hinten losgehen wird. Wenn eine europäische Familie Disneyland besuchen will, dann ist dies vorwiegend aufgrund der zeitlosen Geschichten, die Onkel Walt der Welt hinterlassen hat – und ein Luke Skywalker kann trotz einer gewissen Fanbase gegen Schneewittchen oder Cinderella nicht mithalten. "Star Tours" dürfte heute schon zu den am wenigsten frequentierten Attraktionen des Parks gehören – und dies trotz einer scheinbar großen Marke. Dem ganzen jetzt noch einen großen Bereich des Discoveryland zuzugestehen, wäre ein völlig falscher Schritt, der sich langfristig zu einem Problem entwickeln könnte – auch hier wäre eine Erweiterung des Studio-Parks nebenan die weitaus bessere Alternative gewesen, auch wenn es sicherlich mehr Geld gekostet hätte...


Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Mike Vester

Mike Vester beschäftigt sich bereits seit seiner Jugend mit dem Thema Freizeitparks / Kirmes und gehört heute zu den wichtigsten Autoren der Parkscout-Fachredaktion. Sein Hang zu Polemik und Übertreibungen ist zwar legendär, aber wer genau hinhört, merkt schnell, daß er mit seinem Motto "zeitlos, stillos, geschmacklos" zwischen den Zeilen immer genau den Punkt trifft. Der frühere Kleinkunst-Texter ist überzeugter Fan von allem, was mit dem Thema "Disney" zu tun hat und läßt dies auf seine liebenswert schrullige Art auch sicherlich öfter in seine Kolumne einfließen. In diesem Sinne also: Immer vester druff...

© parkscout/MV

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